Schleswig-Holstein gilt nicht als prozessarme Region Norddeutschlands: Zwischen 1520 - 1740 wurden hier nachweislich über 800 Hexenverfahren angestrengt.
Die Hexenverfolgung begann 1530 und endete 1735. Das erste Todesurteil 1530 richtete sich gegen zwei Frauen in Kiel, das letzte 1724 gegen einen Mann in Rendsburg.
Der Frauenanteil in der Hexenverfolgung Holsteins betrug 88,4 Prozent. Er lag damit im Vergleich mit anderen deutschen Regionen erheblich über dem Durchschnitt.
In der Zeit von 1530 - 1735 lassen sich in Holstein, Lauenburg und Lübeck Prozesse gegen insgesamt 490 Personen nachweisen.
Lediglich in einem Jahr 1637 kapitulierte das städtische Obergericht vor der im Umland grassierenden Verfolgung und ließ zum ersten Mal Angeklagte hinrichten. Die Praxis der Stadt Lübeck reiht sich damit in die geringe Verfolgungspraxis frühneuzeitlicher Großstädte ein".
In der Hansestadt Lübeck und in den zur ihr gehörigen Territorien wurden im gesamten Zeitraum von 1520 - 1745 nur wenige Menschen wegen angeblicher magischer Aggression angeklagt. Der Lübecker Rat entließ zudem fast drei Viertel aller Angeklagten oder regelte das Hexenproblem, indem er es exterritorialisierte und die Angeklagten des Stadtgebiets verwies.
Ein umfassendes Verfahren auf dem Gebiet des Kloster Preetz 1666 fügte sich zwar in diese Prozessverdichtung ein, andere größere Prozesse wie 1686 auf den Gütern Schmoel und Övelgönne des katholischen Reichsgrafen Christoph v. Rantzau in Ostholstein lagen allerdings nicht in der letzten größeren Verfolgungsphase.
Holstein blieb damit ein Land, in dem selbst die sogenannten "small panics" eine Minderheit darstellten. Auch in den größeren Verfolgungsphasen blieb dieses Verlaufsmuster charakteristisch, weil größere Prozesse erst ab der Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzten, und dies zum Teil noch außerhalb der prozessreicheren Welle von 1660-70.
Die Hexen und Hexenmänner im Holsteinischen gehörten zu den Teufelsbündnern, darin stimmten alle Verfolger überein. Der Teufelspakt stellte sich nach 1570 als das entscheidende Erkennungsmerkmal für dieses neue Verbrechen heraus. Vor der Feststellung des Delikts stand in dieser Region allein die Ermittlung der Schädigung im Vordergrund. Der Krankheits- und Viehzauber entwickelte sich in Holstein als Topos, Wetterzauber spielte eine völlig untergeordnete Rolle - ein fast nicht verständliches Phänomen in dieser so wenig sonnenreichen Region.
Das Bild des Hexensabbats als kultisches Zentrum des Hexenwesens und Brutstätte großen Schadens in Holstein fehlt in zahlreichen Geständnissen von Angeklagten. In den Akten, die qualifizierte Aussagen über die Delikte enthalten, vermerken die Unterlagen gerade in jedem zweiten Fall einen Hinweis auf dieses kollektive Hexentreiben.
Wenn davon auszugehen ist, dass das Hexensabbatsmuster in den Geständnissen abhängt vom Fragenkatalog der Richter oder des Fiskals (der Frühform des Staatsanwalts), dann spielte das Kollektivbild von Hexerei auf der Seite der Verfolger im Holsteinischen eine geringe Rolle. Im Vordergrund des Verhörs stand nicht die Teilnahme an der kollektiven Tat, sondern der persönliche Schadenszauber. Besagungen unterblieben in vielen Prozessen oder bezogen sich nur auf einen kleinen Personenkreis. Die verschiedenen Obrigkeiten erforschten die Partizipation an den vermeintlichen Kollektivveranstaltungen von Hexen und Hexenmännern nur mit Vorbehalten, nahmen auch Besagungen auf, akzeptierten diese dann jedoch nicht vollständig.
Die juristischen Fakultäten der protestantischen Universitäten in Rostock, Greifswald und seit 1665 auch in Kiel unterstützten diese Bestrebungen und billigten Besagungen grundsätzlich keine strafrechtliche Konsequenz zu. Sie lehnten im Besonderen den Foltereinsatz für die Personengruppe der Besagten ab. Die Juristen begutachteten zahlreiche Prozesse und griffen dadurch in großem Maße und zumeist zugunsten der Angeklagten in die rechtliche Praxis der Hexenverfolgung in Holstein ein.
Das typische Verfahren ging von einem Schadenszauber aus. Die Tradition des mittelalterlichen Zaubereibegriffs setzte sich somit in Holstein fort und wurde primär in der Frühen Neuzeit auf den Teufelsbund, gegebenenfalls auch die Teufelsbuhlschaft, übertragen. Das Hexensabbatsmuster als "eine mächtige kollektive Imagination der frühneuzeitlichen Gesellschaft" (Richard van Dülmen) fasste in Holstein, wie im Übrigen auch in Dänemark, sowohl in der Elitekultur als auch der Volkskultur wenig Fuß.
Insgesamt zeigt die Hexenverfolgung in Holstein ein ambivalentes Bild: Auf der einen Seite steht im Vergleich zu den Kernzonen eine vergleichsweise geringe Anzahl von Prozessen. Auf der anderen Seite beweisen die hohen Hinrichtungsraten, mithin die Umwandlung einer Anklage in ein Todesurteil - wenn diese dürren Worte es überhaupt vermögen, die Tragik dieser Ereignisse angemessen zu erfassen -, ein strenges Sanktionieren des angebliches Delikts gerade im Gegensatz zu Skandinavien. Bei einer Bevölkerung von ca. 270.000 Einwohnern (Lübeck und Sachsen-Lauenburg eingerechnet), mindestens 490 belegbaren Prozessen und über 75% Todesurteilen gehörte Holstein eher zu den Gebieten mit mittlerer Verfolgungsaktivität.
Obwohl es nicht zu Massenprozessen und zur Organisation von Hexenausschüssen in den Dörfern kam, zeugen die vielen Einzelprozesse, die zum größeren Teil "von unten" aus der Bevölkerung gewünscht und "von oben", von den verschiedenen Obrigkeiten zugelassen bzw. auch betrieben wurden, von dem hohen Spannungspotential in der frühneuzeitlichen Gesellschaft Holsteins, das sich in der Hexenverfolgung entlud.
In den holsteinischen und lauenburgischen Ämtern und Landschaften galt seit dem Hochmittelalter das Holsten- und Sachsenrecht, das den Straftatbestand der Zauberei kannte, das Delikt aber teilweise noch mit Vergiftung in Verbindung brachte und mit Verbrennung bestrafte. Als erstes nahm Lübeck 1547 die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) an, gefolgt vom Herzogtum Sachsen-Lauenburg 1578, der Grafschaft Holstein-Pinneberg etwa zur gleichen Zeit, und schließlich schloss sich auch zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Herzogtum Holstein inklusive der Städte, die der lübisch-hamburgischen Rechtsfamilie angehörten, dieser Strafrechtsordnung an. Die neuen Regelungen traten teilweise neben, aber auch über das bisherige Holsten-, Sachsen- oder Lübsche Recht.
In den weiteren landesherrlichen Erlässen wurde zwischen schädigender und nicht-schädigender Magie unterschieden. Während für angeblichen Schadenszauber mittels Teufelsbundes die Todesstrafe galt, sollten Praktiken sogenannter weißer Magie lediglich mit Landesverweis geahndet werden.
Der dänische König Friedrich II. hatte bereits 1576 erstmalig für Europa in seinem "Kalundborger Rezeß" für Dänemark, aber auch für seine holsteinischen Ämter, eine Überprüfung aller lokal gefällten Todesurteile wegen angeblicher Hexerei durch Obergerichte angeordnet. Sie fanden in der Rechtspraxis allerdings nicht immer Berücksichtigung.
Allen Zaubereibestimmungen der verschiedenen Landesherren ist eine Verschärfung am Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts gemeinsam, indem sie angebliche magische Verbrechen mit einem vermeintlichen Teufelsbündnis in zwangsläufige Verbindung setzen. Die Hexenlehre hatte damit Eingang in die territoriale Gesetzgebung für Holstein gefunden. Die Regelungen übertrafen damit diejenigen der eher zurückhaltenden Carolina, des Reichsstrafrechts, an Schärfe. Sie erreichten dennoch aber nicht die tödliche Strenge der Erlasse anderer lutherischer Landesherren wie in Kursachsen und in Württemberg.
(nach: Artikel zur Hexen-Verfolgung im Herzogtum Holstein
von Rolf Schulte [12.04.2009] im historicum.net)
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